75 Jahre WTV - ein Rückblick
Die Leidenschaft der Gründungsväter
Was die Wenigsten wissen, der Westfälische Tennis-Verband (WTV) wurde am 24. April 1947 in einem Saal der Firma Dr. August Oetker in Bielefeld gegründet. Der Gedanke zur Gründung herrschte schon länger in den Köpfen der Herren August Kohlpott und Paul Sackewitz. Zur offiziellen Gründung des WTV erschienen 16 Vereine. August Kohlpott trat als federführender Hauptgründer in Erscheinung. Als erster Präsident führte Sackewitz den Verband bis 1951. Ihm und seinen leidenschaftlichen Mitstreitern ist es zu verdanken, dass der Tennissport kurz nach dem Krieg für die neue Gesellschaft eine Aufbauarbeit leisten konnte. Ohne die Hingabe der Männer der ersten Stunde wäre das nicht möglich gewesen.
Drei der ingesamt fünf WTV-Präsidenten auf einem Bild aus dem Jahr 1985. Von links: Rolf Kreutz (1980 bis 2001), August Kohlpott (1952 bis 1971) und Erich Stellpflug (1972 bis 1979).
Vor allem die damaligen nachkriegszeitlichen Umstände sind bis heute interessant. So heißt es in der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des TV Warendorf: „Bälle kann man, wenn überhaupt, nur auf dem schwarzen Markt besorgen. Tenniskleidung ist zumeist selbst geschneidert. Und erst die Schläger: die alte Darmbespannung ist längst zermürbt und bei den ersten Schlägen buchstäblich zerfallen.“ Auch die Produktion von Bällen konnte angesichts vom Stromknappheit und fehlendem Filz in der Continental Fabrik in Hannover noch nicht aufgenommen werden. Viele Tennisanlagen waren zerstört, wurden von den britischen Besatzern für andere Dinge genutzt oder beschlagnahmt. So war beispielweise der Tennis- und Skiclub Herford der letzte Club in Westfalen, der von den Besatzern wieder freigegeben wurde.
Der neu gegründete Verband, so heißt es in der ersten Satzung, „hat das Wettspielwesen zu regeln, Termine für Turniere zu genehmigen, die Erwachsenen- und Jugendmannschaften aufzustellen und Meisterschaften und Mitgliederversammlungen durchzuführen.“ Die wichtigste übergeordnete Funktion ist bis heute in seinem Kern geblieben noch nach wie vor festgeschrieben. Der WTV bezweckt die Wahrung und Förderung des Tennissports.
Wachstum und Strukturen
Im Jahr 1953 wurde aus sportorganisatorischen Gründen beschlossen, das Verbandsgebiet in fünf Bezirke einzuteilen. Wenig später erfolgte zur Förderung der Jugend die Wahl eines Bezirksjugendwarts. In den ersten sieben Jahren seit Bestehen des Verbandes hatte sich die Zahl der Vereine verdreifacht. Diese positive Entwicklung hielt auch in den folgenden 15 Jahren an, was eine weitere Verdoppelung der Vereine auf ca. 300 mit rund 71.000 Mitgliedern bedeutete.
Ein Bild vom Funktionärsturnier im Jahr 1977. Heute sind über 100 Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler für den WTV in seinen vier Bezirken tätig.
Tennis wurde zu einer der populärsten Sportarten in Deutschland. Ein wahrer Tennisboom erfasst auch das westfälische Verbandsgebiet. Zahlreiche Vereine müssen einen Aufnahmestopp für Mitglieder verhängen. So schnellten die Mitgliederzahlen bei den Erwachsenen von 1973 bis 1983 um gut 200 Prozent auf rund 200.000 Aktive in die Höhe.
Bau des Landesleistungszentrums
Schon bei der Gründung wurde der WTV als Verein beim Landgericht in Kamen eingetragen. Die stetige Aufwärtsentwicklung und die enorme Zunahme an Mitgliedern und Vereinen führte zu einem immer größer werdenden Verwaltungsaufwand. Es folgte 1971 die Einrichtung der ersten Geschäftsstelle am Westfalendamm in Dortmund mit zwei hauptamtlichen Mitarbeitern. Um sich allerdings im Spitzentennis zu verbessern und leistungsstarken Nachwuchs auszubilden, wurde 1973 die Errichtung des Landesleistungszentrums (LLZ) an der Westicker Straße beschlossen. Wiederum bot die Stadt Kamen hierfür die nötige Infrastruktur und gute Voraussetzungen. Im Jahr 1977 wurde das LLZ als Schulungs- und Förderungsmittelpunkt mit finanzieller Unterstützung der Landesregierung feierlich eingeweiht. Ebenso bezog der Verband seine neue Geschäftsstelle in direkter Nachbarschaft. 1981 erfolgte in einer weiteren Ausbaustufe eine Vergrößerung um Konditions- und Umkleideräume für optimale Bedingungen für den Spitzensport.
Höhepunkt und Abschwung
Die Erfolge, vor allem von Boris Becker und Steffi Graf, trieb die Anzahl der Vereine (über 900) und die Mitgliederzahlen (ca. 230.000) auf einen Höhepunkt. Infolgedessen musste die Geschäftsstelle technisch, personell und infrastrukturell stetig den wachsenden Anforderungen angepasst werden. Die Geschäftsstelle bezog ihren heutigen Standort direkt am LLZ im Jahr 1996 und zog 2003 letztmals direkt in das LLZ ein und ermöglicht seitdem kurze Wege zwischen sportlicher und administrativer Führung. Außerdem richtete der WTV als erster und lange Zeit einziger Landesverband in Deutschland 1986 das Ressort Breitensport ein.
Zu Beginn der 90er-Jahre bekommt der Tennissport die Konkurrenz neuer Trendsportarten und von Game Boy und Co. zu spüren. Vor allem im Jugendbereich schwinden die Mitgliederzahlen. Von Beginn an intensiviert der WTV die Zusammenarbeit mit den Vereinen. Es werden Angebote unterbreitet, um das Clubleben der Tennisvereine attraktiver zu gestalten. Aufgrund der zurückgehenden Mitgliederzahlen unterstützt der WTV die Vereine immer mehr in beratender Funktion und steht für seine Vereine allumfassend zur Seite.
2001 wurde Präsident Rolf Kreutz nach 21 Jahren an der Spitze des WTV mit Standing Ovations verabschiedet und Robert Hampe von der Mitgliederversammlung als sein Nachfolger gewählt. Seine Worte zum Antrittsbeginn sind bis dato aktuell. „Für uns ist Basisarbeit auf Kreis- und Bezirksebene gefragt. Der WTV muss in der Arbeit für seine Vereine transparent sein und sich als deren Dienstleister verstehen.“
Bau des Jugendgästehauses
Im Jahr 2010 wird das Jugendgästehaus am Landesleistungszentrum fertiggestellt. Junge Talente können nun noch gezielter gefördert und auf die Anforderungen des Profitennis vorbereitet werden. Bestes Beispiel ist die heutige Verbandstrainerin Dinah Pfizenmaier, die ihre vielversprechende Profikarriere verletzungsbedingt mit Mitte Zwanzig beenden musste und heute die Spielerinnen und Spieler der WTV-Talentschmiede unter ihre Fittiche nimmt.
Ein Bild vom Jugendgästehaus kurz nach der Fertigstellung im Jahr 2010.
Apropos Talentschmiede. Seit 2019 wird der Nachwuchsleitungssport des Verbandes unter der WTV-Talentschmiede zusammengefasst. Im Zentrum steht die Wertvermittlung, mit der eine ganzheitliche Ausbildung der Kinder und das Zugehörigkeitsgefühl gestärkt werden sollen. Übrigens: Der WTV ist einer der wenigen Landesverbände, der seit 2015 ein eigenes Ressort für Jugendsport und Jugendbildung sein Eigen nennt.
Mutig und zuversichtlich in die Zukunft
Aktuell beherrschen Corona-Krise, Klimawandel und der Ukraine-Krieg die Lage. Ein schwerer Start in das Jahrzehnt. Der Tennissport lässt sich davon nicht beirren. Hervorragende Vereinsarbeit, gute Trainerinnen und Trainer sowie sportliche Erfolge deutscher Profis treiben wieder mehr Menschen in die Tennisvereine. Mit dem WTV Vereinspokal wurde außerdem ein neuer Wettbewerb initiiert, der im Jahr 2022 bereits in seine 3. Auflage ging.
Robert Hampe führt den Verband seit 2001 als Präsident mit Akribie und Herzblut.
Auch die Digitalisierung hält fortschreitend Einzug beim WTV und hat schon jetzt so manche Prozesse vereinfacht. Neue Trends wie Padel werden in der Sportentwicklung beobachtet und in Zukunft eine größere Bedeutung im Verband erfahren. Für die 780 Vereine mit ihren 132.000 Aktiven gilt es weiterhin mutig und zuversichtlich in die Zukunft zu schauen und vor allem als leistungsstarker Partner und Ratgeber an ihrer Seite zu stehen. Eben weil Tennis verbindet!